Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

Versicherer sinken, weil die Kapitalkosten von 6,0 auf 4,75 Prozent verringert werden. Wenn die Häuser das frei wer- dende Kapital nicht nutzen, um ihre Ausschüttungen an die Aktionäre zu erhöhen oder neue Produkte zu entwickeln, können sie künftig stärker in den Private-Asset-Bereich ge- hen, beispielsweise in Infrastructure Debt oder Equity“,meint Scarsini. Das würde letztlich auch der Intention des Regula- tors entsprechen, mehr privates Kapital in die Transforma- tion Europas zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu lenken. Scarsini verweist darauf, dass auch der Regulator in Groß- britannien, das nach dem Brexit außerhalb der EU liegt, eine ähnliche Zielrichtung verfolgt. „In Großbritannien werden die Kapitalkosten sogar von sechs auf vier Prozent gesenkt. Auch dort soll das frei werdende Kapital für Investitionen eingesetzt werden, die auf eine grünere Wirtschaft abzielen.“ Der Solvency-II-Review enthält auch Nachhaltigkeitsele- mente. Durch die bald geltenden Regelungen müssen Ver- sicherer im Rahmen des Prudent Person Principle ESG-Fak- toren in ihrer Kapitalanlagestrategie berücksichtigen. „Bisher mussten sie ESG-Faktoren lediglich im Own Risk and Sol- vency Assessment (ORSA) berücksichtigen, künftig auch in der Kapitalanlagestrategie“, betont Müller-Reichart und wei- ter: „Dem Regulator auf oberster Ebene – dem Trilog – war es wichtig, dass sich der European Green Deal im Solvency- II-Review wiederfindet.“Dieser wurde von der EU-Kommis- sion imDezember 2019 vorgestellt. Ziel des Konzepts ist es, die Nettoemissionen von Treibhausgasen in der EU bis 2050 auf null zu reduzieren, um als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Versicherer als die großen Halter von privatem Kapital will man hier in die Pflicht nehmen. Gummielement mit Ausrufezeichen Allerdings macht der Review hier lediglich eine qualitative Vorgabe. Klare Quoten, wie hoch beispielsweise die Anteile von Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds gemäß Offenlegungs- verordnung sein müssen, gibt es nicht – zumindest bis jetzt. „Tatsächlich ist dies eine relativ weich formulierte Vorgabe im Review. Allerdings kommen Sie künftig als Versicherer in Erklärungsnöte, wenn Sie nicht nachweisen können, dass Ihre Kapitalanlage zu einem verbesserten ESG-Profil führt“, meint Müller-Reichart. Der EU-Regulator will die Versiche- rungswirtschaft dafür gewinnen, mehr in die ökologische Infrastruktur zu investieren. „Was im jetzigen Review defi- niert wurde, halte ich für den Einstieg.Wenn die Bemühun- gen der Versicherungswirtschaft hier nicht offensichtlich stei- gen, kann es weitergehen. Vielleicht werden dann Quoten für nachhaltige Anlagen vorgegeben“, rät Müller-Reichart dazu, die Nachhaltigkeitsausrichtung ernst zu nehmen. Im ORSA zeichnet sich der Nachhaltigkeitstrend bereits ab. Schon seit 2022 müssen Versicherer darin verschiedene Klimawandelrisikoszenarien berechnen, denen sie kurz- und langfristig ausgesetzt sind. „Es gibt ein Szenario mit einem globalen Temperaturanstieg unter zwei und eines mit deut- lich über zwei Grad Celsius.Nun wird überlegt, einen Kapi- talaufschlag für nicht nachhaltige Investments einzuführen“, weiß Scarsini, „das ist zwar noch nicht in den Solvency-II- Review eingegangen, aber die EU-Kommission hat die EIOPA dazu aufgefordert, Studien über die aufsichtsrecht- liche Behandlung von nicht nachhaltigen Investments anzu- stellen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.“Aus Was lange währt … Die Vorbereitungen für den Solvency-II-Review begannen 2019. Wie es aussieht, werden die neuen Regelungen für Versicherungen ab Juli 2026 Anwendung finden. Quelle: GDV 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 Feb. 2019: Request for Advice der Europäischen Kommission März 2020: Datenabfrage der EIOPA (Impact Assessment) Juli 2020: Konsultation der EU- Kommission Juli 2020: Ergänzende Datenabfrage der EIOPA Dez. 2020: EIOPA legt Advice zum Review 2020 vor Sept. 2021: Legislativvorschläge der EU-Kommission veröffentlicht Juni 2022: Entwurf des Berichterstatters im Europaparlament zu Solvency II, sowie zur Richtlinie zu Sanierung und Abwicklung Juni 2022: Allgemeine Ausrichtung des Rates zu Solvency II Juli 2023: Abstimmung im Europa- parlament Sept. 2023: Trilog zwischen Europaparlament, EU-Kommission und Rat 13. Dez. 2023: Politische Einigung zur Ausgestaltung des Solvency-II- Review Q1 2024: Änderungsricht- linienvorschlag erwartet Ca. Juli 2026: Erstanwendung der Richtlinie erwartet 256 N o . 1/2024 | institutional-money.com STEUER & RECHT | Solvency II » Es wäre nicht systematisch, einen Kapitalaufschlag für Din- ge zu berechnen, die in den Daten nicht zu finden sind. « Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

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