Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

G leichzeitig mit der Trilog-Einigung zur Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Unterneh- men (IRRD) haben die europäischen Institutio- nen in ihren Trilogverhandlungen am 13. Dezember 2023 auch eine politische Einigung zur Ausgestaltung des Sol- vency-II-Review erzielt. „Den Änderungsrichtlinienvorschlag erwarten wir noch im ersten Quartal 2024. Mit der Erstan- wendung dürfte etwa zum 1. Juli 2026 zu rechnen sein“, sagt Matthias Müller-Reichart, Professor für Risikomanagement an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Tendenziell hinkt der Versicherungsbereich regulierungstechnisch den Banken hinterher, weil Letztere – gesamtwirtschaftlich be- trachtet – größere Risiken aufweisen. „Seit der Finanzmarkt- krise hat man vor allem im Bankenbereich die Existenz viel- fältiger Kapitalmarktrisiken gesehen. Daher wurden zahl- reiche Regulierungen für Banken verabschiedet. Die Versi- cherungsregulierung läuft der Bankenregulierung immer et- was nach; Solvency II kam schließlich auch erst nach Basel II; so auch die entsprechenden Reviews“, erklärt Melanie Schlünder,Wirtschaftsprüferin und Aktuarin (DAV) und bei PwC als Senior Managerin für den Bereich Risk & Regula- tion zuständig. Kein echter Sprengstoff Anlass für die Richtlinienänderung waren nicht etwa grobe Webfehler im Solvency-II-Regelwerk, es handelt sich viel- mehr um eine turnusmäßige Überarbeitung.Daher beinhal- teten die Trilogverhandlungen auch eher sanfte Anpassun- gen, davon jedoch viele. „Solvency II hat seit seiner Umset- zung bewiesen, dass es ein Goldstandard für Konsumenten- schutz ist. Die bisherigen Erfahrungen und technischen Ver- besserungsmöglichkeiten wurden in der aktuellen Über- arbeitung thematisiert“, erklärt ein Sprecher des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO). Aller- dings herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Es gab bezie- hungsweise gibt auch konkrete Gründe, das Solvenzregel- werk nachzuschärfen: „Die EIOPA hat einige Ausfälle und Beinaheausfälle von Erst- und Rückversicherern in der EU festgestellt. Auch deshalb wird die Solvency-II-Richtlinie ein- schließlich eines Rahmenwerks für Sanierung und Abwick- lung noch einmal angefasst“, erklärt Schlünder. Die Schwie- rigkeiten beim italienischen Lebensversicherer Eurovita im Jahr 2023 beruhten beispielsweise auf Liquiditätsproblemen, die durch hohe Stornozahlen verursacht wurden. Zinsrisiko Die Richtlinie beeinflusst primär die Kapitalanlagen der Ver- sicherer. Der Regulator hat hier – neben einer noch stärke- ren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken – insbeson- dere Zins- und Aktienrisiken im Auge. Die Auswirkungen betreffen daher vor allem die Zinssätze,mit denen Verpflich- tungen gegenüber den Kunden zu bewerten sind: „Wir sehen hier zwei gegenläufige Effekte, die sich zu einem gewissen Grad kompensieren“, erklärt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Zum einen werden die Zinssätze für sehr lange Verpflichtungen künftig stärker schwanken und tendenziell niedriger liegen. Grundsätzlich werden die Zinssätze aus Marktwerten abgeleitet. Weil es aber für sehr lange Laufzeiten keine Marktwerte mehr in der erforderlichen Tiefe gibt, verwendet man in diesem Laufzeitenbereich ein Extrapolationsmodell, das einen lang- fristigen Gleichgewichtszins, die sogenannte „Ultimate For- ward Rate“, zugrunde legt. Dieses Modell wird im Review angepasst; die Ultimate Forward Rate, also der Zinssatz zur Berechnung der langfristigen risikofreien Zinsstrukturkurve Die Solvency-II-Richtlinie wurde in den EU-Trilogverhandlungen einem Review unterzogen. Es geht darin nicht nur um die Robustheit von Versicherungshäusern, sondern auch darum, Kapital für die wirtschaftliche Transition zu mobilisieren. Moderates Update 252 N o . 1/2024 | institutional-money.com STEUER & RECHT | Solvency II » Als Versicherer kommen Sie künftig in Erklärungsnöte, wenn Sie nicht nachweisen können, dass Ihre Kapitalanlage zu einem verbesserten ESG-Profil führt. « Prof. Dr. Matthias Müller-Reichart, Lehrstuhl für Risikomanagement an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden Um die Versi- cherungsnehmer optimal zu schützen, möchten die Standardsetzer eine solide Regulierung und gute Aufsicht gewährleisten.

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