Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024
Unterstützung für diese Sichtweise kommt von Seiten der Asset Manager; auch sie halten das bestehende Solvenz- regime für robust: „Während des Solvency-II-Regimes, das 2016 startete, hat es mit dem langen Atem der Subprime- und Euro-Krise, der Covid-Pandemie und der jüngsten geo- politischen Krise verschiedene Krisen gegeben, die die Versicherungsbranche gut gemeistert hat. Offenbar stellt die aktuelle Regulierung einen guten Schutz für Versicherungs- nehmer und Leistungsempfänger dar“, argumentiert Alberto Scarsini, Global Insurance Advisory Director, beim Asset Manager Schroders. Er verweist darauf, dass es trotzdem unglückliche Fälle wie die des italienischen Lebensversicherers Eurovita geben kann. „Die dortige Aufsicht Istituto per la Vigilanza sulle Assicurazioni (IVASS) hat das Haus unter die Kontrolle eines Sonderverwalters gestellt und einen Rückzahlungs- stopp verhängt. Schließlich wurden die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten an einen neuen Versicherer übertra- gen, der nun die Garantien für die Versicherungskunden fortsetzt“, beobachtet Scarsini. Bei Eurovita waren offenbar ein niedriger Solvabilitätskoeffizient aufgrund der Volatilität des Anleihenmarktes und Liquiditätsprobleme, die durch hohe Kündigungen und Rückzahlungen noch verschärft wurden, die Ursache. Wie wahrscheinlich ist eine Insolvenz? Melanie Schlünder sieht durchaus gute Gründe für eine Abwicklungsdirektive: „Allein im Zeitraum von 2015 bis 2020 verzeichnete die EIOPA über 75 bedeutsame Ausfälle oder Beinaheausfälle von Erst- und Rückversicherern in der EU.“ Insolvenzen können also auch im Solvency-II-Regime vorkommen. Schließlich wurde das Regelwerk auch nicht designt, umVersicherungsinsolvenzen um jeden Preis zu ver- meiden. „Die Gleichung enthält ein Wahrscheinlichkeits- maß. Das Konfidenzniveau liegt bei 99,5 Prozent für einen einjährigen Zeithorizont. Das heißt, wir erwarten, dass jähr- lich eines von 200 Unternehmen eine unzureichende Kapi- talausstattung aufweisen kann“, sagte einmal der ehemalige EIOPA-Chef Gabriel Bernardino. In schwieriges Fahrwasser können Versicherungshäuser in jedem Markt geraten. Schlünder verweist darauf, dass es auch in Deutschland Beinaheinsolvenzen im Versicherungs- bereich gegeben hat: „Die alten, teilweise sehr hohen Garan- tien haben in der Extrem-Niedrigzinsphase ein großes Risi- ko dargestellt. Die in den letzten Jahren deutlich gestiegene Run-off-Aktivität ist ein Indikator dafür. Allerdings finden bei Versicherungshäusern in schwieriger Lage oft Übernah- men statt, daher sieht man wenig tatsächliche Versicherungs- insolvenzen.“ Harmonisierung innerhalb der EU Längst nicht in allen Ländern Europas gibt es Auffangein- richtungen wie Protektor und Medicator (siehe Kasten unten) . Daher soll die IRRD eine einheitliche Basis sein und Rege- lungen zur präventiven Sanierung und Abwicklung von Erst- und Rückversicherern europaweit harmonisieren. „In einzelnen Mitgliedsstaaten mögen die Sicherungssys- teme ausreichend sein, aber die IRRD ist notwendig, um Konsistenz innerhalb der EU herzustellen. Ansonsten be- stünde die Gefahr einer Aufsichts-Arbitrage“, befürchtet Prof. Dr. Müller-Reichart vom Lehrstuhl für Risikomanagement an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Daher müsse auf EU-Ebene ein gleicher Level für alle geschaffen werden. „Die deutschen Unternehmen haben ihre Resolution-and- Recovery-Pläne ohnehin schon in der Schublade“, beruhigt er die Branche, dass nicht allzu viel neue Arbeit auf sie zukommen wird. Der Rat der EU drückt es so aus: „Derzeit gibt es auf europäischer Ebene keine harmonisierten Verfahren zur Abwicklung von Versicherungsunternehmen, wobei erheb- liche Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten zu einem ungleichen Schutzniveau für Versicherungsnehmer und Begünstigte führen.“ Banken gehen voran Ähnlich wie bereits mit dem Solvenzregime hinkt auch beim Abwicklungsregime die Versicherungsregulierung der Bankenregulierung etwas hinterher: Eine entsprechende Abwicklungsrichtlinie für den Bankensektor, die EU Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), wurde bereits im Mai 2014 verabschiedet, und sie musste zum 1. Januar 2015 in nationales Gesetz gegossen sein. Doch die Anforderungen für die Banken sind höher: „Anders als für Banken sind in der IRRD weder Mindest- anforderungen vorgesehen, wonach die Versicherungsbran- che über Eigenmittel oder berücksichtigungsfähige Verbind- lichkeiten verfügen muss, um potenzielle Verluste auszuglei- chen, noch ein EU-weiter einheitlicher Abwicklungsfonds, der von der Branche finanziert wird“, stellt der Rat der Europäischen Union in einer Pressemitteilung klar. Ein Grund zum Jubeln dürfte das für die Versicherungsunterneh- men in der EU trotzdem nicht sein. ANKE DEMBOWSKI N o . 1/2024 | institutional-money.com 251 IRRD Versicherungen | STEUER & RECHT FOTO: © SCHRODERS » Während des Solvency-II-Regimes hat es verschiedene Krisen gegeben, die die Versicherungsbranche gut gemeistert hat. « Alberto Scarsini, Insurance Advisory Director, EMEA, Schroders I nsbesondere Insol- venzen mit grenz- überschreitendem Kontext sollen mit der IRRD gut bewältigt werden können. » Uns fehlt die Idee, wo wir in Deutschland noch eine Aufsichtslücke für Versicherungen haben. « Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
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