Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024
O ffenbar sieht man auf EU-Ebene einen Bedarf, Versicherungsunternehmen noch sicherer zu ma- chen. „Der Gedanke, ein separates Rahmenwerk für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunter- nehmen zu schaffen, kam ab 2020 auf. Es sollte die Idee von Solvency II komplettieren“, sagt Melanie Schlünder. Sie ist Wirtschaftsprüferin und Aktuarin (DAV) und bei PwC als Senior Managerin für den Bereich Risk & Regulation zuständig. Mitte Dezember 2023 haben sich der Rat der EU, die Europäische Kommission und das Europaparlament im Trilog nicht nur auf einen Review von Solvency II geeinigt, sondern auch auf die Verabschiedung der Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Unternehmen (Insurance Recovery and Resolution Directive, IRRD). Sie könnte be- reits im Lauf des Jahres 2024 in Kraft treten. „Mit den übli- chen Übergangsfristen und der Umsetzung in nationales Recht könnten die Vorschriften theoretisch bereits ab An- fang 2026 zur Anwendung kommen, es wird aber später vermutet“,meint Schlünder. „In Deutschland wird die IRRD vermutlich bis Mitte 2025 in das VAG eingearbeitet.“ Schutz für Kunden und Steuerzahler Die Solvency-II-Rahmenrichtlinie beinhaltet aktuell nur auf- sichtliche Interventionen (mit Erstellung von Sanierungsplä- nen), wenn die Bedeckung bereits „brenzlig“ wird. Mit der IRRD wird nun sichergestellt, „dass die Versicherer und die zuständigen Behörden in der EU besser für erhebliche finanzielle Notlagen gewappnet sind, damit sie in Krisen- situationen rechtzeitig und rasch – auch grenzüberschreitend – intervenieren können“, schreibt der Rat der Europäischen Union über die neue Richtlinie. Ausgegebenes Ziel ist es, die Versicherungsnehmer zu schützen und gleichzeitig die Aus- wirkungen einer möglichen Insolvenz auf die Wirtschaft und das Finanzsystem sowie eventuelle Rückgriffe auf Steuergelder so gering wie möglich zu halten. Nationale Abwicklungsbehörde Die Trilog-Einigung zur IRRD enthält bereits Erleichterun- gen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag, ist aber trotz- dem nicht ohne – weder für die Versicherer noch für die Aufsicht. Beispielsweise sieht die Direktive vor, dass in jedem EU-Land eine nationale Behörde zur Abwicklung von Ver- sicherungsunternehmen eingerichtet wird. „In Deutschland soll die Abwicklungsbehörde bei der BaFin angesiedelt sein“, sagt Schlünder. Die nationalen Behörden sollen für eine „wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit sorgen“ und dabei der EIOPA (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversor- gung) eine koordinierende Rolle einräumen. Zunächst sollen die nationalen Aufsichtsbehörden jeweils sicherstellen, dass in jedemMitgliedsstaat der EU eine Min- destanzahl von Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet wird, präventive Sanierungspläne aufzustellen und ihrer nationalen Aufsichtsbehörde vorzulegen, sprich: Sanierungs- pläne in der Schublade zu haben. „Versicherer sollten sich dazu eigene Szenarien überlegen – beispielsweise besondere Kapitalmarktbewegungen, größere Stornowellen oder einen Cyberangriff – und dann sagen,wie sie imAnschluss wieder eine gute Solvenz erreichen wollen“, erklärt Schlünder. In Zukunft werden von den europäischen Institutionen auch Szenarien vorgegeben, aber diese sind noch in der Entwick- lung. Schlünder nennt mögliche Maßnahmen der Versiche- rer: „Wie geht man in der Kapitalanlage und beim Personal damit um? Welche Kommunikationswege sollen genutzt werden, um das Reputationsrisiko gering zu halten?“ Die In den EU-Trilogverhandlungen hat man sich auf die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (Insurance Recovery and Resolution Directive, IRRD) geeinigt. Die Versicherungsverbände halten dies für übertrieben. Zu viel des Guten 248 N o . 1/2024 | institutional-money.com STEUER & RECHT | IRRD Versicherungen FOTO: © PWC Die Vorschriften der IRRD könnten theo- retisch bereits ab Anfang 2026 zur Anwendung kom- men, vermutlich aber erst später. » Die behördlichen Maßnahmen in der IRRD sind weitreichender als in Solvency II. « Melanie Schlünder, Senior Managerin im Bereich Risk & Regulation bei PwC, Wirtschaftsprüferin, Aktuarin (DAV)
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