Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

zwar grosso modo erreicht werden können. Wir gehen allerdings davon aus, dass der Markt weitgehend unter- schätzt, dass die Inflation sich letztlich auf einer Achterbahn- fahrt befinden wird. Aktuell fallen zwar die Energie- wie auch die Güterpreise im Vorjahresvergleich, aber der Lohn- druck dürfte vergleichsweise hoch bleiben. Das ist ein Phä- nomen, das die Märkte in ihrem Zinssenkungsoptimismus nicht vollständig einpreisen, trotz der jüngsten Neubewer- tung. Zinseinkommen bleibt daher für Anleger attraktiv. Lassen Sie uns vor diesem Hintergrund noch einmal zurückkom- men auf den eingangs angesprochenen Aspekt einer Deglobalisie- rung, auf die die Marktteilnehmer sich einstellen müssen. Dabei wird es doch einerseits Verlierer, aber eben auch Gewinner geben. Ann-Katrin Petersen: Das ist ohne Zweifel der Fall. Hinter der erwähnten Neusortierung der globalen Lieferketten stehen zwei bedeutende Phänomene, von denen manche Regionen und Sektoren stärker profitieren sollten: auf der einen Seite eine zunehmende Fragmentierung der Welt in geopolitische Blöcke, anders gesagt eine verschärfte Zersplit- terung der Weltwirtschaft entlang geopolitischer Grenzen, etwa zwischen Russland und demWesten oder China und den USA. Die regelbasierte multilaterale Weltordnung steht unter Druck. Im letzten Jahr wurden weltweit rund 3.000 handelsbeschränkende Maßnahmen verhängt, fast dreimal so viele wie im Jahr 2019. Auf der anderen Seite eine Ver- schärfung des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Letztere findet dabei auch zwischen „befreundeten“ Handelsnationen wie den USA und Europa statt, wenn wir beispielsweise an den Inflation Reduction Act auf US-Seite und die industriepoli- tische Antwort mit dem Green Industrial Plan in Europa denken. Damit verknüpft hat übrigens die politische Debat- te um die Standortattraktivität an Fahrt gewonnen. Eine Fol- ge davon ist, dass sowohl die Unternehmensseite als auch die staatliche Seite daran arbeiten, ihre Absatzmärkte wie auch ihre Zuliefermärkte stärker zu diversifizieren. Auf der einen Seite wird sozusagen die Liste der eigenen Partner auf eine breitere Basis gestellt, auf der anderen Seite wird die Produktion oder Teile davon wieder näher heran oder ganz in die eigene Volkswirtschaft zurückgeholt. Mit welcher Konsequenz? Ann-Katrin Petersen: Widerstandsfähigkeit kostet Geld. Eine geringere Arbeitsteilung wirkt sich zusätzlich produktivitäts- hemmend aus.Auf der anderen Seite wird es auch Gewinner in dieser insgesamt wachstumshemmenden Entwicklung geben. Es gibt eine Reihe von Staaten, die sich einer Zuord- nung zu einem der sich neu formierenden großen Wirt- schaftsblöcke bewusst entziehen. Wir bezeichnen diese Länder als sogenannte „Multi Aligned Countries“, weil sie gewissermaßen opportunistisch Handelsbeziehungen mit den unterschiedlichsten Partnern weltweit einzugehen bereit sind. Länder wie Vietnam und Mexiko dagegen könnten von der Diversifizierung profitieren, um ein Beispiel zu nen- nen.Weitere Beispiele sind Länder, die über große Rohstoff- ressourcen verfügen, die für die grüne Transformation benö- tigt werden. Es gibt aber noch einen wichtigen Spieler im Kampf um eine Neuordnung der Weltwirtschaft. Worauf spielen Sie an? Ann-Katrin Petersen: Ich spreche vom Vormarsch der künst- lichen Intelligenz. Auf der Ebene von einzelnen Unterneh- men und Sektoren sind ja bereits heute diverse Prozesse im Gang, die zu erheblichen Steigerungen der Produktivität führen können. Durch die ökonomische Brille betrachtet, wird es interessant bleiben zu beobachten, wie durch künst- liche Intelligenz auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ein solcher Produktivitätsschub durch entsprechende Auto- matisierung erreicht werden kann. Wir danken für das Gespräch! HANS HEUSER 196 N o . 1/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Ann-Katrin Petersen | BlackRock FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Es wird interessant bleiben zu beob- achten, wie durch künstliche Intelligenz auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ein Produktivitätsschub durch entsprechende Automatisierung erreicht werden kann. « Ann-Katrin Petersen, Chefstrategin bei BlackRock

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