Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

Zuversicht nährt sich dem Anschein nach aus der Erwar- tung, dass die Inflation zurückläuft in Richtung der Zwei- Prozent-Zielmarke sowohl der US-Notenbank Fed als auch der Europäischen Zentralbank, was aus Sicht des Marktes auf baldige Zinssenkungen schließen lässt, verknüpft mit einem sich offenbar ausbreitenden Wachstumsoptimismus. Dieses Narrativ beflügelt aktuell die Märkte. Eine aus Ihrer Sicht gerechtfertigte Erwartung? Ann-Katrin Petersen: Es gibt durchaus Gründe, dass dieses Narrativ zur Realität werden kann. Auch wir beim Black- Rock Investment Institute gehen davon aus, dass die Infla- tionsrate in den USA die Zwei-Prozent-Marke in diesem Jahr erreichen kann. Im Euroraum ist es sogar möglich, dass diese auch für die EZB geltende Preisstabilitätsmarke zwi- schenzeitlich unterschritten wird. Aber trotz einer sich abzeichnenden Zinswende gehen wir davon aus, dass wir nicht in die Welt zurückkehren, wie wir sie vor Ausbruch der Pandemie und vor der Invasion Russlands in der Ukraine kannten. Warum? Ann-Katrin Petersen: Aus unserer Sicht spricht eine Reihe von strukturellen Verschiebungen, sogenannten „Mega- Forces“, dafür, dass der unterliegende Kostendruck künftig insgesamt höher ausfällt als in der Zeit vor der Pandemie. Dementsprechend dürfte auch das Zinsniveau künftig ins- gesamt strukturell höher ausfallen als zuvor. Wir rechnen nicht damit, dass wir auf absehbare Zeit in ein Negativ- oder Niedrigzinsumfeld zurückrutschen. Gleichzeitig müssen wir mit einem im Vergleich gedämpfterenWirtschaftswachstum rechnen. Was sind dabei die wesentlichen Einflussfaktoren? Ann-Katrin Petersen: Aus unserer Sicht spielen dabei ins- besondere drei Faktoren eine Rolle, die wir gern unter der kurzen Formel „3D“ zusammenfassen. Der erste Faktor ist die Demografie: Die demografischen Herausforderungen sind natürlich seit Langem bekannt, aber sie greifen nun sichtbarer oder, besser gesagt, spürbarer, nämlich in Form einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung in den G7-Staa- ten und China. Damit einher geht eine Knappheit an Arbeitskräften, die für sich genommen zu einem höheren Lohndruck führt. Das ist die wichtigste Komponente für einen steigenden binnenwirtschaftlichen Kostendruck. Im Euroraum beispielsweise entfallen bei den Dienstleistungs- unternehmen rund 40 Prozent der direkten Vorleistungs- kosten auf die Löhne. Und die Teuerung bei den Dienst- leistern wiederum ist für fast zwei Drittel der Kerninflation verantwortlich. Ein zweiter Faktor ist das Thema Deglobali- sierung, bei dem wir es vorziehen, von einer Neuverkabe- lung der Weltwirtschaft zu sprechen. Denn die internatio- nale Arbeitsteilung findet ja nach wie vor statt, Handels- beziehungen sortieren sich jedoch neu. In welcher Form? Ann-Katrin Petersen: Handelsbeziehungen werden nach dem Weckruf durch die Pandemie und den Ukrainekrieg verstärkt hinterfragt und auf Abhängigkeiten abgeklopft. Unternehmen und Staaten stehen also vor der Notwendig- keit, zusätzlich zu einer ohnehin und stets notwendigen Kos- teneffizienz eine weitere Entscheidungsdimension hinzuzu- nehmen. Denn sie müssen für mehr Resilienz,mehr Wider- Die neue Chefstrategin Ann-Katrin Petersen ist seit Februar 2024 die neue Chefstrategin von BlackRock für die deutschsprachigen Länder und Osteuropa. Damit hat sie eine entscheidende Rolle als führende Investmentsprecherin des Unternehmens in dieser Region übernommen. Sie bleibt zudem Mit- glied des Teams für taktische Vermögensallokation im BlackRock Investment Institute (BII). Petersen kam erst vor gut zwei Jahren zu dem Asset Manager. Zuvor hat sie über sieben Jahre als Investmentstrategin für Allianz Global Investors gearbeitet, davor stand sie drei Jahre lang als Volkswirtin für Europa in Diensten der Allianz SE. Sie hat an den Universitäten Bayreuth und Nottingham studiert und schloss ihr Studium als Jahr- gangsbeste mit einem Diplom in Volkswirtschaftslehre ab. 192 N o . 1/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Ann-Katrin Petersen | BlackRock FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Handelsbeziehungen werden nach dem Weckruf durch die Pandemie und den Ukrainekrieg verstärkt hinterfragt und auf Abhängigkeiten abgeklopft. « Ann-Katrin Petersen, Chefstrategin bei BlackRock

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