Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

S chon lange wird diskutiert, ob Sell-Side-Analysen von Banken und Brokern bessere Anlageentscheidungen ermöglichen. Der Konsens aus früheren Studien ist, dass sie imDurchschnitt keinen Mehrwert bieten. Vor allem für den US-Markt gilt das als gesichert. Demnach hängen die Empfehlungen von Analysten dort nicht positiv mit den künftigen Renditen der jeweiligen Aktien zusammen. Für andere Länder ist die Situation weniger eindeutig. Dort sind Analystenratings profitabler als früher angenom- men. Das ging aus der Studie „Analyst Recommendations and Anomalies Across the Globe“ von Vitor Azevedo und Sebastian Müller hervor. Darin untersuchten die beiden Autoren den Mehrwert von Analystenempfehlungen für 45 Länder im Zeitraum von Januar 1994 bis Juni 2019 (siehe Institutional Money Ausgabe 1/2021, Seite 136–140). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Analysten auch heute noch wichtige Intermediäre sind. Sie verarbeiten neue Infor- mationen zu den einzelnen Unternehmen und geben basie- rend darauf Einschätzungen und Prognosen für die jeweili- gen Aktien ab.Würde es sie nicht geben, wären die Märkte wohl weitaus ineffizienter. Neuer Untersuchungsansatz Allerdings kann man Sell-Side-Analysten einen übermäßi- gen Optimismus anlasten. Denn im Durchschnitt sind ihre Kursziele viel zu hoch. Die drei Forscher Adam Farago, Erik Hjalmarsson und Ming Zeng (alle Department of Econo- mics und Centre for Finance an der Universität Göteborg) schreiben im Paper „Analysts Are Good at Ranking Stocks“, dass die im Durchschnitt erwartete monatliche Konsens- rendite im Zeitraum von 1999 bis 2021 bei 2,2 Prozent lag. Tatsächlich realisiert wurden dagegen im Mittel nur 1,15 Prozent. Zudem sind Analystenurteile den Forschern zufol- ge imQuerschnitt wenig aussagekräftig, was besonders gute oder schlechte Renditen einzelner Aktien angeht. Die Autoren haben ihr Paper aber nicht geschrieben, um eine weitere Kritik abzuliefern. Ganz im Gegenteil. Sie stel- len einen neuen Untersuchungsansatz vor, der Analysten deutlich besser aussehen lässt. Bisherige Studien bezogen sich auf den Konsens der Prognosen aller Analysten für die jeweiligen Aktien. Davon weichen Adam Farago, Erik Hjal- marsson und Ming Zeng ab. Sie betrachteten stattdessen die Rangfolge der von jedem Analysten bewerteten Aktien. Dann ermittelten sie den Durchschnitt dieser Ränge über alle Analysten hinweg, von denen die jeweilige Aktie bewer- tet wird. Informationen aus den relativen Prognosen der ein- zelnen Analysten bleiben damit besser erhalten. 22 Jahre Datenhistorie Die in der Untersuchung verwendeten Kursziele stammen von IBES, die Daten zu den Merkmalen der Unternehmen und den Aktienrenditen von CRSP und Compustat. In der Studie werden an der AMEX, der NYSE und der NASDAQ notierte Aktien berücksichtigt. Dabei verwendeten die Autoren ausschließlich Kursziele auf Zwölfmonatssicht, was die Mehrheit der verfügbaren Beobachtungen ausmacht. Der Untersuchungszeitraum reichte von März 1999 bis Dezember 2021. Zu Beginn dieses Zeitraums umfasste die Stichprobe rund 400 Analysten, die in einem Monat mindestens eine Kurszielprognose abgaben. Diese Zahl stieg im Lauf des untersuchten Zeitraums allmählich auf über 800 Analysten an. Im Durchschnitt sind jeden Monat 655 Analysten in der Untersuchung repräsentiert. Diese deckten im Mittel 34 Prozent aller Aktien im CRSP- Kursziele von Sell-Side-Analysten werden vergleichsweise wenig ernst genommen. Eine genauere Analyse der Einschätzungen zeigt, dass sie wertvoller sind, als gemeinhin vermutet wird – wenn man sie richtig interpretiert. Verborgene Inhalte 164 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Analysten FOTO: © UNIVERSITÄT GÖTEBORG Man kann den Sell-Side-Analysten übermäßigen Optimismus anlasten. » Analysten liegen mit ihren absoluten Einschätzungen regelmäßig daneben. « Erik Hjalmarsson, Professor of Finance, Universität Göteborg

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=