Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

A nfang der 1990er-Jahre wurde die kurzfristige Um- kehranomalie (Short-Term Reversal) im Rahmen der Momentum-Forschung als antizyklischer Ein- flussfaktor dokumentiert. Momentum ist ein prozyklischer Effekt, der sich hauptsächlich in einem Zeithorizont von sechs bis zwölf Monaten abspielt. Im Kern wirkt sich dieser Effekt dahingehend aus, dass die am stärksten gestiegenen (gefallenen) Aktien dazu neigen,weiter zu steigen (zu fallen). Das kurzfristige Reversal läuft diesem Muster auf Einmo- natssicht entgegen. Hier ist es so, dass die am stärksten ge- stiegenen (gefallenen) Aktien eine Gegenbewegung nach unten (oben) machen, bevor sie ihr vorheriges Momentum wieder aufnehmen. Deshalb wird in Untersuchungen zum Momentum-Effekt und darauf basierten Handelsstrategien meist ein Skip-Monat berücksichtigt. Die Momentum-Posi- tionen werden demnach einen Monat verzögert eingegan- gen, um das kurzfristige Reversal und den damit verbunde- nen Renditenachteil zu vermeiden. Der klassische Effekt Gleichzeitig gibt es natürlich Handelsstrategien, die das kurz- fristige Reversal selbst ausnutzen. Allerdings wurde der Ren- diteeffekt im Lauf der Zeit immer schwächer. In jüngster Vergangenheit verschwand er sogar ganz, wie die Autoren David Blitz, Bart van der Grient und Iman Honarvar (alle von Robeco) in ihrem jüngsten Paper schreiben („Reversing the Trend of Short-Term Reversal“). Diese Beobachtung basiert auf einer langfristigen Analyse des Reversal-Effekts für den US-Markt (siehe Abbildung „Nichts mehr übrig“). Dem- nach schrumpften die Reversal-Renditen vor allem bei Small Caps erheblich. Bei Large Caps waren sie durchweg deutlich moderater, aber dafür bis in die 2000er-Jahre stabil.Doch seit etwa 2004 ist der Reversal-Effekt bei Large Caps komplett verschwunden beziehungsweise sogar leicht negativ. Dieses Verschwinden entspricht dem klassischen Lebenszyklus ei- ner Anomalie nach ihrer Entdeckung (siehe Artikel „Rendite- anomalien“ in Institutional Money 2/2022, Seite 146–149). Neben den USA betrachtet das Paper die Regionen Euro- pa und Asien-Pazifik. In Europa waren die Reversal-Ren- diten insgesamt etwas stärker. Doch ab dem Jahr 2004 war der Effekt dort ebenfalls verschwunden. Nur in der Region Asien-Pazifik blieb das Reversal solide. Hier beobachten die Autoren eine Prämie von über acht Prozent pro Jahr, bislang ohne Anzeichen einer Abschwächung. Dieser positive Bei- trag reicht aber auf globaler Ebene nicht aus, um die schwa- chen Ergebnisse in den USA und Europa auszugleichen. Der kurzfristige Umkehreffekt (Reversal) ist nicht mehr profitabel. Zwar zeigt eine aktuelle Studie, dass es ihn noch gibt, allerdings dürfte es schwierig sein, mit dieser Marktanomalie nach Kosten positive Renditen zu erzielen. Nicht verschwunden, gut versteckt Nichts mehr übrig Jährliche Renditen des klassischen kurzfristigen Reversals am US-Markt Im Lauf der Zeit schrumpften die Reversal-Renditen vor allem bei Small Caps erheblich. Bei Large Caps waren sie deutlich niedriger, aber dafür über lange Zeit stabil. Seit etwa 2004 ist der Effekt dort plötzlich komplett verschwunden bzw. sogar leicht negativ. Quelle: Blitz, D. / van der Grient, B. / Honarvar, I. (2023), Reversing the Trend of Short-Term Reversal, S. 15 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % Out of Sample 2 (2006-2022) Out of Sample 1 (1991-2005) In Sample (Juli 1963-1990) Pre Sample (1926-Juni 1963) Large Caps Small Caps Gesamt 154 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Reversal-Effekt FOTO: © ROBECO » Verbesserte kurzfristige Reversal-Strategien haben höhere Renditen bei geringerem Risiko. « David Blitz, Chief Researcher, Robeco

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