Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

chen Renditeerwartungen deutlich niedriger aus. In guten Zeiten ist es genau umgekehrt . Das Muster dokumentieren die Forscher durchweg sowohl bei den Options- als auch den Umfragedaten, was die Robustheit der Ergebnisse unterstreicht. Zudem sind die in Optionen gemessenen Forward Rates starke Prädiktoren für zukünftige realisierte Prognosefehler in den beiden Umfragen. Eine rationale Erklärung für die beobachteten Erwar- tungseffekte ist, dass die Marktteilnehmer die Geschwindig- keit der Mean Reversion unterschätzt haben. Die Autoren schreiben, dass dabei unerwartete Nachrichten eine Rolle gespielt haben könnten, die einen plötzlichen Aufschwung am Markt einleiteten. Eine verhaltensbasierte Erklärung wäre dagegen, dass Anleger auf Krisen systematisch über- reagieren, was sich in entsprechend verzerrten Erwartungen widerspiegelt. Schlussfolgerungen Man könnte behaupten, dass Erwartungen über künftige Erwartungen ein theoretisches Konstrukt sind, das weit von der Anlagepraxis entfernt ist und kaum eine Rolle spielt.Das wäre auch naheliegend, gäbe es nicht den systematischen Prognosefehler (siehe Grafik „Systematischer Prognosefehler“). Wenn sich Anleger in ihren Erwartungen vorhersehbar ver- schätzen, kann das durchaus kursrelevant sein. Die Ergebnisse erlauben noch weitere Schlussfolgerungen. Die Forscher schreiben, dass die Zyklizität der künftigen Renditeerwartungen eine potenzielle Erklärung für die am Markt beobachtete Übervolatilität der Aktienkurse sein kann. Demnach könnten die Kurse in Krisenzeiten über- mäßig stark fallen, weil Anleger glauben, dass negative Preis- schocks von langer Dauer und die Risikoprämien entspre- chend lange erhöht sein werden.Wenn sich dann aber her- ausstellt, dass die schlechten Zeiten kürzer als ursprünglich erwartet sind, werden die erwarteten Renditen entsprechend nach unten korrigiert.Durch das Hin und Her entsteht eine erhöhte Volatilität der Erwartungen, was sich auch auf die Kurse auswirken dürfte. Schließlich werden diese hauptsäch- lich von Zukunftserwartungen beeinflusst.Würden Anleger die Dauer der schlechten Zeiten und damit die künftigen erwarteten Renditen nicht von vornherein überschätzen, könnte auch die Volatilität amMarkt geringer sein. Passend dazu berechnen die Forscher, dass die vorhersehbaren Pro- gnosefehler bei den Risikoprämien beinahe die Hälfte des Kursrückgangs in der globalen Finanzkrise und sogar fast den gesamten Rückgang während des Coronacrashs erklä- ren konnten. Allerdings kann es in Zukunft auch anders kommen, wenn tatsächlich eine langanhaltende Abwärts- spirale auftreten sollte (siehe Institutional Money 4/2023, „Ende einer Ära?“, Seite 80–82). Das war im untersuchten Zeitraum nicht der Fall. Zudem könnten die Ergebnisse zur Erklärung der über- raschend geringen Preiselastizität amMarkt beitragen (siehe Institutional Money Ausgabe 3/2021, „Vom Flow getrieben“, Seite 152–155). Eigentlich sollte ein Kursrückgang zu deutlich höheren kurzfristig erwarteten Renditen führen, was für eine hohe Elastizität der Nachfrage sprechen würde. Wenn die Marktteilnehmer nun aber wie beschrieben einen erheb- lichen Teil der erhöhten Renditen erst auf lange Sicht erwar- ten, würden kurzfristig die Gewichtungen von Aktien in den Portfolios kaum steigen. Das würde für die beobachtete niedrige Elastizität sprechen. Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass Aktien je nach Anlagehorizont unterschiedliche Prämien aufweisen können. Theoretischen Standardmodellen zufolge dürfte das eigentlich nicht der Fall sein. Wie beschrieben wurden hier einst konstante erwartete Renditen angenom- men, heute dagegen im Zeitablauf variable. Bei Letzteren müssten nun auch systematische Prognosefehler berücksich- tigt werden. Es dürfte also nicht einfacher werden,möglichst realistische Modelle und Annahmen aufzustellen. DR. MARKO GRÄNITZ Systematischer Prognosefehler Differenz aus Forward und Spot Rates für die Aktienrisikoprämie Basierend auf Optionsdaten zeigt diese Grafik die Prognosefehler von Forward Rates für die US-Aktienrisikoprämie im Zeitraum von 7 bis 12 Monaten in der Zukunft bezüg- lich der später tatsächlich erwarteten Prämien (Spot Rates). Es ist gut zu erkennen, dass die Prognosefehler nach Krisen tendenziell negativ und außerhalb von Krisen häufig positiv sind. Quelle: Gandhi, M. / Gormsen, N. J. / Lazarus, E. (2023), Forward Return Expectations, S. 45 1990 2000 2010 2020 -1,50 % -1,25 % -1,00 % -0,75 % -0,50 % -0,25 % 0,00 % 0,25 % US-Rezessionen Annualisierter Prognosefehler 152 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Erwartete Renditen FOTO: © BRITTANY HOSEA-SMALL, BOOTH SCHOOL OF BUSINESS » Erwartungen der Anleger für die künftige Aktienrisikoprämie sind übermäßig antizyklisch. « Eben Lazarus, Assistant Professor of Finance, UC Berkeley Haas School of Business » Übervolatilität der künftig erwarteten Risikoprämien kann zu Excess Volatility der Kurse beitragen. « Mihir Gandhi, University of Chicago, Booth School of Business

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