Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

lieferungen zu, wenn eine hohe Nachfrage seitens der Short- seller herrscht, so die Autoren. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Leihe der betreffenden Aktien schwieriger wird. Man könnte aber auch vermuten, dass Shortseller bei Aktien, die schwer und teuer zu leihen sind, ein Failure to Delivery bewusst in Kauf nehmen. Wären keine Strafen zu befürchten, könnten auf diese Weise kurzfristig höhere Ge- winne erzielt werden. Vor allem würden die teils hohen Leihkosten vermieden, indem künstliche Aktien praktisch zum Nulltarif verkauft werden. Im Gegenzug entstünden jedoch Kosten bei einer erzwungenen Eindeckung. Vor allem zu Zeiten der globalen Finanzkrise 2008 war häufig zu hören, dass Shortseller die Kurse künstlich drücken würden. Bis dahin war die Umsetzung der Regu- lierung SHO in den USA ziemlich lax. Die Broker duldeten Failures to Delivery in vielen Fällen für lange Zeit. Das Office of Economic Analysis der SEC schätzt, dass sich das Fail-to-Deliver-Volumen im ersten Halbjahr 2008 auf durch- schnittlich 7,8 Milliarden US-Dollar pro Tag belief. Im September 2008 änderte die SEC die Spielregeln, um die zunehmenden Sorgen vor bewusst eingeleiteten unge- deckten Leerverkäufen einzugrenzen. Von nun an waren die gescheiterten Auslieferungen in den meisten Fällen durch den Broker zu schließen.Man befürchtete einen Vertrauens- verlust,wenn bestehende Regeln nicht durchgesetzt würden. In der Folge nahmen die Failures to Delivery dem Bericht des Office of Economic Analysis zufolge bis März 2009 um mehr als 60 Prozent ab. Bezug zu Fundamentaldaten Die entscheidende Frage ist nun, ob Failures to Delivery mit fundamentalen Informationen zusammenhängen.Wäre das der Fall, würden zu Recht potenziell viele Shortseller auf den Plan gerufen, um die Preise zu korrigieren. Das könnte die Wertpapierleihe erschweren sowie Verzögerungen beim Settlement verursachen. In einem Paper untersuchen Harri- son Liu (University of Texas in San Antonio) und Edward P. Swanson (Mays Business School, Texas A&M University) rückblickend die Zeit vor und nach Beginn der strengeren Regulierung durch die SEC („The Information in Fail-to-Deli- ver Short Sales: Implications for Research and Regulation“). Sie betrachten die Zeiträume Januar 2005 bis September 2008 und Januar 2009 bis September 2012. Die Zwischenmonate Oktober bis Dezember 2008 werden als Puffer infolge der Umsetzung der neuen Vorschriften und der kurzfristigen Verwerfungen der Finanzkrise ausgeblendet. Die Forscher separieren die Short-Positionen in die beiden Komponenten gedeckte und ungedeckte Leerverkäufe. Die Daten zu den Failures to Delivery stammen von der SEC, die diese zwei- mal imMonat veröffentlicht. Aus den Regressionen geht hervor, dass gescheiterte Aus- lieferungen statistisch signifikant mit Messgrößen für Fun- damentaldaten der Firmen und des Marktes zusammen- hängen. Das Gleiche gilt für den deutlich größeren Anteil gedeckter Leerverkäufe. Rechnet man Aktien mit hohen Leihkosten heraus, schwächt sich der Zusammenhang zu den Fundamentaldaten zwar ab, bleibt aber signifikant. Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zur negativen Sichtweise der Failures to Delivery durch die SEC. Weitere Untersuchungen Als Nächstes untersuchen die Autoren, ob die Höhe der ge- scheiterten Auslieferungen und der gedeckten Leerverkäufe mit künftigen Renditen zusammenhängt. Den Regressio- nen zufolge sind beide Größen für sich genommen statis- tisch signifikant und hängen mit abnormal schlechten Ren- diten im folgenden Monat zusammen. Werden aber beide Maße kombiniert betrachtet, sind nur Failures to Delivery signifikant. Die meisten Informationen bei Leerverkäufen sind dabei in den Tails der Verteilungen zu finden. Deshalb berechnen die Forscher die erzielten Renditen nach einzel- nen Dezilen sowie speziell für die extremsten zwei Prozent der Daten. In der Studie wird eine theoretische Handelsstra- tegie gezeigt, die Aktien im höchsten (niedrigsten) Failure- to-Delivery-Dezil shortet (kauft). Auf Sicht eines Monats wurde dabei eine statistisch signifikante Rendite von 1,54 Hard to Borrow Anteil schwer zu leihender Aktien nach Fail-to-Deliver-Dezilen Die Grafik zeigt, welcher Anteil der Aktien in den Fail-to-Deliver-Dezilen schwer zu leihen ist. Anhand der Markit-Kennzahl „Daily Cost to Borrow Stock“ wird dazu beurteilt, wie hoch die Kosten für Shortseller bei den einzelnen Aktien sind. Die Spanne der Werte reicht von 1 bis 10. Aktien mit Werten über 2 werden als Hard to Borrow eingestuft. Der Anteil von Aktien mit hohen Leihkosten steigt über die Fail-to-Deliver-Dezile zunehmend an. Dabei ist die Verteilung in beiden Zeiträumen ähnlich. Quelle: Liu, H. / Swanson, E. P. (2023), The Information in Fail-to-Deliver Short Sales: Implications for Research and Regulation, S. 35 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Durch- schnitt 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Fail-to-Deliver-Dezile Jan. 2009 – Sept. 2012 Jan. 2005 – Sept. 2008 Anteil 146 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Ungedeckte Leerverkäufe FOTO: © UNIVERSITY OF TEXAS Die Ergebnisse ste- hen im Widerspruch zur negativen Sichtweise der SEC. » Failures to Delivery sind ein Indikator, wann die Arbitrage in einer Aktie eingeschränkt ist. « Harrison Liu, Associate Professor of Accounting, University of Texas in San Antonio

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