Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

Im Gegensatz dazu steht die Literatur zu Faktoren von Unternehmensanleihen auf einem unsichereren Datenfun- dament, da diese Anlageklasse nicht über einen gemeinsa- men fehlerfreien Datensatz verfügt. Mit anderen Worten: Noch bevor in einem wissenschaftlichen Paper eine Faktor- konstruktionsmethode ausgewählt wird, müssen sich die Autoren auf die Methode der Datenbereinigung verständi- gen. Einige Arbeiten verwenden Rohdaten von TRACE (Trade Reporting and Compliance Engine), einem System zum öffentlichen Reporting über Anleihentransaktionen, andere fügen unterschiedliche Filter hinzu, und die meisten verwenden winsorisierte Daten von WRDS (Wharton Research Data Services). Aber all diese Methoden sind mit Fehlern verbunden. „Winsorizing“ bezeichnet im Übrigen ein Verfahren zum Umgang mit Extremwerten, wobei um den Mittelwert einer Stichprobe ein Konfidenzintervall ge- bildet wird.Werte innerhalb des Intervalls werden dann wei- ter berücksichtigt, außerhalb liegende sind per definitionem Ausreißer und fallen weg. Die Autoren kritisieren, dass die WRDS-Anleihendatenbank beispielsweise Renditen von mehr als 100 Prozent korrigiert – Fehler würden nicht be- rücksichtigt, aber große Kursevents eliminiert. Dazu seien nicht standardisierte Anleihen wie zum Beispiel Wandel- anleihen inkludiert. Des Weiteren würden Stückzinsen falsch berechnet, etwa durch Nichtberücksichtigung von Settlement-Daten, und bei Ausfällen Default-Renditen ange- zeigt, deren Berechnung das Autorenquartett nicht nach- vollziehen kann. Dieses Datenproblem mag überraschend erscheinen, wenn man bedenkt, dass die Assetklasse der Unternehmensanleihen von ähnlicher Größe und Bedeu- tung ist wie Aktien, aber Daten zu Unternehmensanleihen sind aus mehreren Gründen komplexer: (i) Während jedes Unternehmen eine einzige Aktie hat, kann ein Unterneh- men mehr als 100 ausstehende Anleihen haben, (ii) die Menge der ausstehenden Anleihen ändert sich im Lauf der Zeit, und (iii) einige Anleihenserien sind hochgradig illi- quide, und die Rohdaten haben zahlreiche fehlerhafte und echte Ausreißer. Es braucht also ein neues Regelwerk zur Datenbereinigung, sind die Autoren überzeugt. Neuer Datenansatz Die Datenbereinigungsmethode ist äußerst wichtig. Das erste Ergebnis der Studie von Dick-Nielsen, Feldhütter,Heje Pedersen und Stolborg ist, dass grundlegende Entscheidun- gen betreffend die Bereinigung der Daten zu erheblichen Replikationsproblemen in der Unternehmensanleihen-Lite- ratur führen. Um die Auswirkungen dieser Datenauswahl zu analysieren, reproduzieren die Autoren zunächst die in der wissenschaftlichen Literatur am häufigsten genannten Faktoren mit der individuellen Datenauswahl jeder Origi- nalarbeit. Dabei stellen sie fest, dass alle Faktorrisikoprämien dasselbe Vorzeichen aufweisen, aber nur eine der Risikoprä- mien bleibt signifikant, das heißt, es gibt nur eine positive Reproduktion. Um die Robustheit zu untersuchen, berech- nen sie dann die Rendite jedes Faktors anhand der Daten- auswahl aus den anderen Studien. Ergebnis: Keine der Fak- torrisikoprämien ist noch signifikant – ein überaus bedenk- liches Ergebnis, noch dazu ändert sich in einigen Fällen auch das Vorzeichen der Faktorprämie. Die Grafik „Misslun- gene Replikation bei vier Corporate-Bond-Faktoren“ bildet für vier einflussreiche Faktoren die durchschnittliche monatli- che Überschussrendite (Excess Return) sowie deren 95-Pro- zent-Konfidenzintervalle ab, wobei die Faktorkonstruktion aus der jeweiligen Originalstudie beibehalten, aber fünf ver- schiedenen Datenbereinigungsfiltern unterworfen wurde. Im Ergebnis ändert sich der Faktorertrag beträchtlich. Saubere Daten sind wichtig Den Autoren geht es nicht nur darum, die Glaubwürdigkeit der Fachliteratur zu prüfen, sie suchen auch nach der Wahr- heit über die Renditen am Kreditmarkt. Daher streben sie danach, einen relativ sauberen Datensatz über die Renditen von Unternehmensanleihen zu erstellen. Anstatt willkürliche Entscheidungen zu treffen, wenden sie zunächst Filter an, die eine Reihe bekannter Fehler eliminieren, und analysie- ren dann alle extremsten verbleibenden Ausreißer „von Hand“, eliminieren Fehler und behalten extreme Renditen bei, die reale wirtschaftliche Ereignisse abbilden. Darüber hinaus berücksichtigen sie Renditen rund um Zahlungsaus- fälle. Anhand dieser bereinigten Daten stellen sie dann fest, dass sich die meisten Faktorrenditen von Unternehmens- anleihen nicht replizieren lassen, selbst wenn man aus jeder Stellen Faktorinvestmentansätze, wie man sie aus dem Aktienbereich kennt, auch bei Unter- nehmensanleihen brauchbare Werkzeuge dar? Und falls ja, was funktioniert und was nicht? N o . 1/2024 | institutional-money.com 103 Unternehmensanleihen-Faktoren | THEORIE & PRAXIS FOTO: © DONATAS1205 | STOCK.ADOBE.COM

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