Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024
L ange Zeit war von Aktienmärkten die Rede, wenn es um das Thema Faktorinvestments ging. Dass die- se Ansätze beziehungsweise die zugrunde liegenden Ideen – so sie denn funktionieren – auch im Bereich Unter- nehmensanleihen interessant sein könnten, liegt aber auf der Hand. Unternehmen, deren Anteile an den Börsen lang- fristig outperformen, sollten eigentlich auch attraktivere Schuldner sein. Es überrascht daher nicht, dass immer häu- figer und immer mehr Anleihenfaktoren der Fachöffentlich- keit vorgestellt werden. Hier Licht ins Dunkel zu bringen hatten sich Jens Dick- Nielsen, Peter Feldhütter, Lasse Heje Pedersen und Christian Stolborg vorgenommen. Sie untersuchen die Reproduzier- barkeit der schnell wachsenden Literatur zu Unternehmens- anleihenfaktoren. Ihre Analyse ist ernüchternd, müssen sie doch feststellen, dass sich die meisten in der Fachliteratur vor- gestellten Corporate-Bond-Faktoren nicht reproduzieren las- sen.Das ist zum großen Teil auf Probleme mit den zugrunde liegenden Daten sowie auf unterschiedliche und nicht robus- te Methoden im Umgang mit diesen Datenfehlern zurück- zuführen. Als Lösungsvorschlag präsentieren die vier Kapital- marktforscher einen neuen Rahmen für saubere Daten und eine robuste Faktorkonstruktion, wobei allerdings hier nur eine Minderheit an signifikanten Unternehmensanleihenfak- toren übrig bleibt. Sie stellen außerdem eine Möglichkeit vor, wie man die vielen begebenen Anleihen jedes Unterneh- mens in einer einzigen Zeitreihe repräsentativer Anleihenren- diten für jeden Emittenten aggregieren kann, und verwen- den diese Corporate-Bond-Renditen von Unternehmensan- leihen als Test-Input. Sie untersuchen Faktorrenditen basie- rend auf den vorhandenen Unternehmensanleihensignalen sowie Signalen aus der Literatur zu Aktienfaktoren. Zudem beabsichtigt das Quartett, ihre sauberen Renditen für Unter- nehmensanleihen, Renditen auf Unternehmensebene, Fak- torrenditen und ihren Programmiercode anderen Kapital- marktforschern zur Verfügung zu stellen. Faktorkrise: ja oder nein? Alles beginnt mit der Kritik am Wildwuchs bei Aktienfak- toren. In „… and the Cross-Section of Expected Returns“ sprechen Campbell R. Harvey, Yan Liu und Heqing Zhu 2016 in einem Beitrag in „The Review of Financial Studies“ von einer Aktienfaktorreplikationskrise in der Kapitalmarkt- forschung. Allerdings zeigen Andrew Chen und Tom Zim- mermann 2019 in „Publication Bias and the Cross-Section of Stock Returns“ eine Reproduktionsrate von 98 Prozent, was bedeutet, dass die meisten Faktoren auch dann signifi- kant bleiben, wenn man dieselbe Methode und dieselben Daten verwendet. Diese hohe Reproduktionsrate ist zwar ermutigend, löst das Problem jedoch nicht, da ein Teil der Kritik darin besteht, dass in den Originalarbeiten maß- geschneiderte, nicht robuste Methoden verwendet und aus- giebige Tests nicht durchgeführt wurden. Diese Probleme haben Theis Ingerslev Jensen, Bryan T. Kelly und Lasse Heje Pedersen in ihrer Paper mit dem Titel „Is there a Replication Crisis in Finance?“ 2022 angesprochen. Sie dokumentieren ein hohes Maß an wissenschaftlicher Replikation, also die Nachvollziehbarkeit von Faktoren mit einer konsistenten, robusten Methodik, die multiple Tests berücksichtigt, und externer Validität, wo die Evidenz außerhalb der jeweiligen Stichprobe über Zeit und Länder hinweg bestehen bleibt. Ist nun doch alles in Ordnung? Diese hohe Replikationsrate der Aktienfaktor-Literatur ist möglicherweise auf ihre solide Grundlage zurückzuführen, die auf einheitlichen zugrunde liegenden Datensätzen, nämlich auf Basis der Daten von CRSP (Center for Research in Security Prices) und Com- pustat, basiert und eine relativ geringe Häufigkeit von Datenfehlern und Biases aufweist. Welche Faktoren bestimmen die erwarteten Renditen von Unternehmensanleihen, und wie glaubwürdig ist die Literatur, die diese Frage untersucht? Eine Spurensuche und ein neuer Ansatz. Faktorinvestments für Gläubiger 102 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Unternehmensanleihen-Faktoren FOTO: © COPENHAGEN BUSINESS SCHOOL » Bisherige Studien weisen eklatante Mängel bei der Reproduzierbarkeit von Corporate-Bond-Faktoren auf. « Dr. Jens Dick-Nielsen, Professor am Department of Finance / Center for Big Data in Finance an der Copenhagen Business School
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