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Michael Hasenstab: "Indische Reformen nehmen Fahrt auf!"

Indien hat unter Premierminister Narendra Modi eine umfassende Reformbewegung angestoßen, die die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich gezogen hat. Michael Hasenstab, CIO von Templeton Global Macro, hat Indien kürzlich besucht und nimmt einige der Reformen genauer unter die Lupe.

Dabei konzentriert sich Hasenstab auf jene Reformen, die er als globaler Anleihenmanager besonders interessant findet, Seiner Einschätzung nach steuert Indien auf eine glänzende Zukunft zu, und der Wachstumspfad des Landes dürfte – trotz einiger kurzfristiger Anpassungen – stark bleiben.

Steigende Wachstumsraten unter Premier Modi

Das Land hat in den jüngsten Jahren unter der Führung von Premierminister Narendra Modi, der seit Mai 2014 im Amt ist, ambitionierte Reformen in Angriff genommen. Die indische Wirtschaft scheint sich unter Modi belebt zu haben: das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das vor seinem Amtsantritt 2013 noch bei 5,5 Prozent lag, ist auf 7,5 Prozent im Jahr 2015 und 8,0 Prozent im Jahr 2016 angestiegen. Hasenstab dazu: "Mit dieser Wachstumsrate liegt das Land unter den größten Volkswirtschaften der Welt an der Spitze, und es hat in den jüngsten Quartalen mehrere Wellen ausländischen Kapitals verzeichnet."

Kritischer Punkt für die Amtszeit Modis ist erreicht

Das Wachstum habe sich 2017 leicht abgeschwächt, und zwar auf ein geschätztes jährliches Wachstum von 7,1 Prozent, da einige der Reformmaßnahmen kurzfristige Belastungen verursacht hätten, so Hasenstab weiter. Dies scheine einige Marktteilnehmer zu beunruhigen, die kurzfristigen negativen Auswirkungen auf das Wachstum seien häufig jedoch notwendige Konsequenzen aus der Umsetzung der richtigen langfristigen Lösungen.

Kann Modi seine Reformen auch in Zukunft umsetzen?

Der Schlüssel für die Zukunft der indischen Wirtschaft werde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht davon abhängen, wie sich das Wachstum in den nächsten paar Quartalen gestalte, sondern vielmehr davon, ob Modi auch weiterhin die Art dauerhafter transformativer Reformen durchsetzen könne, die Indien benötige, und ob hierdurch das wirtschaftliche Potenzial des Landes deutlich erhöht werden könne. Nach Einschätzung von Hasenstab und anderen Tempelton-Experten ist dies durchaus möglich.

Konkursgesetze, Umsatzsteuereform

So wurden bereits (im Mai 2016) Konkursgesetze erlassen, die darauf abzielen, eine Durchsetzung von Verträgen zu unterstützen und letztlich eine verstärkte Darlehenstätigkeit zu fördern, indem sie das Vertrauen in das Finanzsystem stärken. Zudem wurden massive Anpassungen an der Abgabenordnung durchgeführt, im Zuge derer (im Juli 2017) eine Steuer auf Waren und Dienstleistungen eingeführt wurde, die dazu beiträgt, die Komplexität und Ineffizienz des inländischen Tarifsystems zu vermindern.

Bargeldentwertung zur Bekämpfng der Schattenwirtschaft

Die Regierung hat zudem (im November 2016) einen gewagten Plan umgesetzt, bei dem 86 Prozent des umlaufenden Bargeldes entwertet wurde, um so finanzielle Mittel aus der Schattenwirtschaft herauszulösen und in die reguläre Wirtschaft einzubinden. Hasenstab: "Dies sind beispiellose und wichtige strukturelle Reformen für Indien – Modis Regierung ist es gelungen, Fortschritte in Politikfeldern zu erzielen, in denen es unter den vorherigen Regierungen seit Jahrzehnten keinerlei Bewegung gegeben hatte."

Aus makroökonomischer Sicht sorgte Modi zudem für dringend benötigte Stabilität

Die Reserve Bank of India (RBI) hat eine aus Sicht von Hasenstab verantwortungsvolle Geldpolitik beibehalten und Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung eingesetzt, um Phasen erhöhter Inflation, die die Wirtschaft destabilisieren könnten, ein Ende zu setzen. So ist die Inflation in Indien auf jährlicher Basis von über 10 Prozent im Jahr 2013 auf unter 2 Prozent im Jahr 2017 gesunken. "Auf der fiskalpolitischen Seite hat die Regierung unserer Ansicht nach ebenfalls ihren Beitrag geleistet, indem sie einen verantwortungsvollen Haushalt gewahrt hat. Auch die Leistungsbilanz hat sich gegenüber den 2013 verzeichneten hohen Defiziten deutlich verbessert", resümiert Hasenstab.

Zentralbank tut das langfristig Richtige

Alles in allem zeichnet sich hiermit für Indien ein relativ solides makroökonomisches Bild ab. Was für die langfristige Gesundheit gut ist, kann kurzfristig jedoch bisweilen wie bittere Medizin erscheinen. Um ihre Glaubwürdigkeit zu sichern, kann eine Zentralbank gezwungen sein, höhere Zinsen zu wahren, während eine Regierung gegebenenfalls ihre Ausgaben kürzen muss, um Haushaltsdisziplin zu beweisen. Derartige Maßnahmen können das kurzfristige Wachstum beschränken, die längerfristige Robustheit der Wirtschaft jedoch stärken. "Im kommenden Jahr oder auch ein wenig darüber hinaus könnte sich die Wirtschaftstätigkeit in Indien abschwächen. Unserer Einschätzung nach ist es für Anleger jedoch wichtig, zu erkennen, dass dies eine Dämpfung des Wachstums der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Welt wäre, und nicht etwa eine Kontraktion oder Entgleisung. Indien entwickelt gerade eine neue Vision seiner wirtschaftlichen Zukunft, und diese kurzfristigen Anpassungen könnten in den kommenden Jahrzehnten immenses wirtschaftliches Potential freisetzen."

Positiver Ausblick trotz kurzfristiger Challenges

Hastenstab: "Es gibt eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen, die die Regierung in den kommenden Jahren ergreifen kann, um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in den bevorstehenden Jahrzehnten zu beeinflussen. Maßnahmen für den Umgang mit der Anhäufung notleidender Kredite im Bankensektor und zur Verbesserung des allgemeinen Vertrauens in das Finanzsystem werden wichtig sein. Zudem sind an den Grundstücks- und Arbeitsmärkten, im Versorgungssektor und in der Transportinfrastruktur Ineffizienzen zu beobachten, die durch umfassende Reformen vermindert werden könnten."

Gute Bedingungen für Anleihen

Dennoch befindet sich Indien aus Sicht des globalen Anleihenmanagers Hasenstab mit einer fiskalpolitisch konservativen Regierung, einer sich abkühlenden aber weitgehend widerstandsfähigen Wirtschaft und einer Zentralbank, die die Inflation in den Griff bekommen und angemessene Zinsen gewahrt hat, in einer attraktiven Phase. "Dies sind für Anleihen gute Bedingungen, und wir beobachten an den indischen Märkten für auf Lokalwährung lautende Titel weiterhin attraktive Bewertungen. Alles in allem schätzen wir die Reformanstrengungen Modis optimistisch ein und sehen nach wie vor ein zunehmendes wirtschaftliches Potential für das Land", lautet Hasenstabs Befund. (kb)

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